VG Göttingen, Az: 2 A 308/1, Urteil vom 18.03.2014
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 17. Dezember 2010 von der Klinik- und Rehabilitationszentrum D. E. GmbH (vormals firmierend unter Kurklinik D. E. GmbH) das Grundstück H. x in D. E.. Bei diesem Grundstück handelt es sich um die ehemalige Kurklinik von D. E.. Die Beklagte war 100 %-ige Anteilseignerin der GmbH. Nutzungen und Lasten sollten nach § 3 des notariellen Kaufvertrages zum 1. Januar 2011 übergehen.
Bei einer Besichtigung am 28. Dezember 2010 bemerkte der Kläger in den Gebäuden der ehemaligen Kurklinik umfangreiche Frostschäden; Eiszapfen hingen von der Decke und Heizkörper waren verbogen. Von diesen Schäden machte der Kläger sowohl der Beklagten wie auch der Öffentlichen Versicherung Braunschweig, deren Versicherungsnehmer die Beklagte ist, umgehend Meldung. Die Beklagte bevollmächtigte den Kläger unter dem 15. Juli 2011 gegenüber der Öffentlichen Versicherung Verhandlungen zu führen; am 22. Dezember 2011 trat sie ihre Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis an den Kläger ab. Seitdem versucht der Kläger in Zusammenarbeit mit einem Sachverständigen der Öffentlichen Versicherung und seit Februar 2013 auch in Zusammenarbeit mit einem Architekten, dem Zeugen I., den entstandenen Schaden zunächst einmal überhaupt festzustellen. Nach einer Schätzung des Sachverständigen J. der Öffentlichen Versicherung beträgt der Schaden allein für das Bettenhaus der ehemaligen Kurklinik ca. 1,5 Millionen Euro. Die Gesamtschadenssumme dürfte deutlich höher liegen.
Mit bestandskräftigem Grundsteuermessbescheid vom 8. März 2012 setzte das Finanzamt D. E. im Wege der Nachveranlagung auf den 1. Januar 2011 den Grundsteuermessbetrag auf 4.212,17 € fest. Daraufhin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Mai 2012 die Grundsteuer für das Jahr 2011 auf 17.269,90 € und für das Jahr 2012 auf 17.985,907 € fest. Mit bei der Beklagten am 3. Juli 2012 eingegangenen Antrag vom 25. Mai 2012 beantragte der Kläger, ihm die hälftige Grundsteuer zu erlassen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Februar 2013 mit der Begründung ab, der Kläger habe keine Nachweise darüber erbracht, sich um Erträge aus dem Grundstück bemüht zu haben; er habe auch keine Bemühungen gezeigt, eine Fortschreibung des Einheitswerts beim Finanzamt D. E. zu erreichen.
Hiergegen hat der Kläger am 11. März 2013 Klage erhoben.
Zu deren Begründung trägt er vor, er habe am 28. Dezember 2010 einen erheblichen Wasserschaden festgestellt, der den gesamten Gebäudekomplex erfasse. Dies sei der Beklagten bekannt. Bis heute sei der Gebäudekomplex nicht nutzbar. Es erfolge nach wie vor eine umfangreichen Schadensermittlung, von der die Beklagte volle Kenntnis habe. Er habe das Grundstück seinerzeit erworben, um einerseits selbst ein Senioren- und Pflegeheim dort zu betreiben und andererseits bestimmte Teile der Gebäude an Jungunternehmer im Pflegebereich verpachten zu können. Er habe eine Grundsanierung bis September 2011 beabsichtigt, was infolge der umfangreichen Frostschäden nicht zu realisieren gewesen sei. Er habe ab 1. Januar 2011 laufende Pachtverträge abgeschlossen, die jedoch infolge dieser Schäden jedoch nicht umgesetzt worden seien.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 11. Februar 2013 zu verpflichten, dem Kläger für das Grundstück H. x, D. E. für die Steuerjahre 2011 und 2012 die Grundsteuer in Höhe von 50 %, mithin für 2011 in Höhe von 8.634,95 € und für 2012 in Höhe von 8.992,99 €, zu erlassen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt zur Begründung vor, sie könne Aussagen zum Umfang der Bauschäden nicht treffen. Sie sei nicht die Verkäuferin des Grundstücks und wisse auch sonst nichts zum Umfang der Bauschäden. Ebenso wenig könne sie etwas dazu sagen, was der Kläger zur Schadensbeseitigung getan habe. Sie habe das Grundstück auch erst seit Februar 2010 bis zum Verkauf an den Kläger in Besitz gehabt; zuvor habe das Grundstück von 2004 bis 2010 der Insolvenzverwaltung unterlegen. Sie müsse daher mit Nichtwissen bestreiten, dass das Gebäude 2011 und 2012 unbenutzbar gewesen sei. Sie könne sich auch nicht vorstellen, dass allein die Schadensfeststellung mehr als zwei Jahre dauern solle.
Das Gericht hat über die Art und den Umfang des in dem Gebäude H. x in D. E. entstandenen Schadens Beweis erhoben durch Vernehmung der Herren K., I. und L. als Zeugen. Wegen der Einzelheiten ihrer Aussagen, wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer gegen die Beklagte nicht, so dass der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2013 rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg, weil dem klägerischen Erlassbegehren die Regelung in § 33 Abs. 5 Grundsteuergesetz –GrStG- entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist eine Ertragsminderung kein Erlassgrund, wenn sie für den Erlasszeitraum durch Fortschreibung des Einheitswerts berücksichtigt werden kann oder bei rechtzeitiger Stellung des Antrags auf Fortbeschreibung hätte berücksichtigt werden können. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Wortlaut des § 33 Abs. 5 GrStG ist insofern ungenau, als eine Ertragsminderung zwar ein Erlassgrund ist, niemals aber unmittelbar auch zu einer Wertfortschreibung führen kann, denn die spätere Mietentwicklung ist für die Einheitsbewertung ohne Bedeutung. Allenfalls, und so auch hier, kann eine Beeinträchtigung oder der Wegfall von Bausubstanz sowohl Grund für eine Wertfortschreibung als auch Grund für eine Mietminderung sein (vgl. Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 10. Auflage, § 33, Rn. 28). Zeigen sich Bauschäden und Baumängel, die im bisherigen Einheitswert noch nicht berücksichtigt wurden, so kann das Grund für eine Wertfortschreibung sein. Behebbare Baumängel können im Ertragswertverfahren nach § 82 Abs. 1 Nr. 2 Bewertungsgesetz –BewG- bzw. im Sachwertverfahren nach § 87 BewG berücksichtigt werden. Nicht behebbare Baumängel werden berücksichtigt, indem von einer kürzeren Lebensdauer des Gebäudes ausgegangen wird (vgl. Troll/Eisele, a.a.O., § 13, Rn. 9). Ertragsminderungen, die ihre Ursache in der Beschaffenheit eines Grundstücks haben, führen also nicht zur Anwendbarkeit des § 33 GrStG; ihnen muss vielmehr auf der Bewertungsebene Rechnung getragen werden (OVG Lüneburg, Beschluss vom 03.12.2003 – 13 LA 213/03 -, zitiert nach juris).
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass das streitbefangene Objekt, die ehemalige Kurklinik in D. E., in all ihren Gebäudeteilen durch einen Frostschaden erheblich geschädigt ist. Da die Schädigung die Heizungsanlage und die Wasserversorgung des Gebäudes betrifft, ist sie allumfassend. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts darüber hinaus fest, dass es sich nicht um einen Bagatellschaden handelt, bei dem von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass er den Einheitswert beeinflusst. Allein die Schadenssumme, die von der Öffentlichen Versicherung und deren Sachverständigen für das Bettenhaus festgestellt worden ist, erreicht mit 1,5 Millionen einen Umfang, der nach den genannten Vorschriften des Bewertungsgesetzes Berücksichtigung bei der Bewertung des Grundstückswertes finden muss. Eine Wertfortschreibung im Sinne von § 22 Abs. 1 BewG liegt daher nahe. Dies umso mehr, als der festgestellte Schaden voraussichtlich einen noch viel höheren Umfang erreichen wird und möglicherweise sogar die 3-Millionen-Euro-Grenze übersteigen wird.
Hiergegen wendet der Kläger zu Unrecht ein, er habe eine derartige Fortschreibung nicht beantragen können, weil ihm die hierfür erforderlichen tatsächlichen Angaben für das Finanzamt nicht zur Verfügung gestanden hätten und er auch keine konkrete Angabe zum Umfang des Schadens habe machen können. Gemäß § 22 Abs. 4 BewG ist eine Fortschreibung vorzunehmen, wenn dem Finanzamt bekannt wird, dass die Voraussetzungen für sie vorliegen. Hieraus folgt, dass es eines expliziten Antrags auf Wertfortschreibung nicht bedarf; der Kläger muss lediglich Tatsachen bekannt geben, die eine Fortschreibung rechtfertigen könnten; hierzu hätte schon der bereits im November 2011 ausweislich des Gesprächsvermerks vom 17. November 2011 bekannte Schadensumfang ausgereicht. Es wäre gemäß § 88 AO sodann Aufgabe der Finanzbehörde gewesen, den Sachverhalt im Einzelnen von Amts wegen zu ermitteln.
Selbst wenn bezogen auf die Vergangenheit konkrete Angaben zur Art und vor allem zum Umfang des Schadens nicht gemacht werden konnten, so ist dem Kläger auch heute der Weg zu einer Wertfortschreibung nach § 22 BewG nicht versperrt. Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Da die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, dass der tatsächliche Schadensumfang erst nach und nach feststellbar war und diese Feststellung erst in der Gegenwart abgeschlossen sein wird und ebenso feststeht, dass den Kläger hieran eine persönliche Schuld nicht trifft, dürften die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Grundsteuermessbescheides wegen Vorliegens neuer Tatsachen ohne weiteres vorliegen. Damit steht fest, dass die vorhandene Ertragsminderung für den Erlasszeitraum 2011 bis 2012 durch Fortschreibung des Einheitswertes berücksichtigt werden kann oder jedenfalls bei rechtzeitiger Stellung des Antrags auf Fortschreibung, bzw. Bekanntgabe der Fortschreibungstatsachen hätte berücksichtigt werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.