LG Detmold – Az.: 2 O 297/20 – Urteil vom 30.11.2021
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist Alleingesellschafter der J GmbH (im folgenden J) in I. Der Beklagte ist Steuerberater und betreute bis zum Jahr 2019 sowohl den Kläger persönlich als auch die J in steuerlichen Angelegenheiten.
Da der Kläger eine Einzahlung in die Kapitalrücklagen der Gesellschaft in Höhe von 780.000,00 EUR getätigt hatte, betrug der Stand des Verrechnungskontos der J zum 31.12.2006 zugunsten des Klägers 788.545,48 EUR. Dieser Betrag wurde im Jahresabschluss 2006 der J als Verbindlichkeit ausgewiesen.
Im Jahresabschluss 2007 der J wurde die Forderung des Klägers in die Kapitalrücklage aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses mit Datum 05.01.2007 zu ihrem Nominalwert eingestellt.
In der vom Kläger für die J unterschriebenen und beim zuständigen Finanzamt I eingereichten Feststellungserklärung 2007 war der Betrag des steuerlichen Einlagekontos mit 0,00 EUR eingesetzt.
Am 05.03.2009 erließ das Finanzamt I gegenüber der J einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Einlagekontos gem. § 27 Abs.1 KStG zum 31.12.2007 und stellte das Einlagekonto erklärungsgemäß mit 0,00 EUR fest. Wegen der Einzelheiten wird auf den Feststellungsbescheid zum 31.12.2007 des Finanzamts I vom 05.03.2009, beim Beklagten eingegangen am 06.03.2009, (Bl. 9 d. eAkte) verwiesen.
Im Jahr 2010 führte das Finanzamt I eine Betriebsprüfung bei der J für die Körperschaftssteuer, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages auf den 31.12., für die Gewerbesteuer sowie für die Umsatzsteuer jeweils für die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2008 durch.
Am 12.12.2018 fand ein Besprechungstermin zwischen den Parteien statt. Anlass der Besprechung war der beabsichtigte Erwerb einer Eigentumswohnung des Klägers von der J und die Finanzierung des Kaufpreises. Der Kläger beabsichtigte, die von ihm getätigte Einlage in Höhe von 780.000,00 EUR zu entnehmen. Der Beklagte erläuterte dem Kläger, dass das steuerliche Einlagekonto im Veranlagungszeitraum 2007 für die J von der Finanzverwaltung unrichtig mit 0,00 EUR festgestellt worden sei und der Kläger daher die eingelegten 780.000,00 EUR nicht steuerfrei entnehmen könne. Bei diesem Besprechungstermin erklärte der Beklagte, dass er die Angelegenheit vorsorglich seinem Haftpflichtversicherer gemeldet habe.
Im Sommer 2019 fand ein weiterer Besprechungstermin bei dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten statt. Gegenstand dieser Besprechung war die Frage, ob es Korrekturmöglichkeiten im Hinblick auf die Feststellung des Einlagekontos mit 0,00 EUR gibt.
Am 22.08.2019 kündigte der Beklagte die Mandate mit dem Kläger und der J.
Unter dem 01.10.2019 ließ die J durch ihren steuerlichen Berater beim Finanzamt I einen Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheides zum steuerlichen Einlagekonto ab dem Jahr 2007 nach § 129 AO stellen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der T Steuerberatungs-GmbH vom 01.10.2019 (Bl. 11 f. d. eAkte) verwiesen.
Am 15.10.2019 wies das Finanzamt I den Antrag auf Änderung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Finanzamts I vom 15.10.2019 (Bl. 13 f. d. eAkte) verwiesen.
Das nachfolgende Einspruchsverfahren blieb ebenfalls erfolglos. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung des Finanzamt I vom 31.01.2020 (Bl. 15 ff. d. eAkte) verwiesen.
Mit Schreiben vom 01.09.2020 ließen die J und der Kläger den Beklagten auffordern, seine Ersatzpflicht anzuerkennen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 01.09.2020 (Bl. 19 f. d eAkte) Bezug genommen.
Der Kläger ist der Ansicht, es habe zu den Pflichten des Beklagten im Rahmen seines Steuerberatungsvertrages gehört, die im Jahresabschluss der J zum 31.12.2007 in der Kapitalrücklage ausgewiesene Einlage in Höhe von 780.000,00 EUR in die Erklärung zur Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 KStG aufzunehmen. Gegen diese Pflicht habe der Beklagte verstoßen. Die Änderung des Einlagekontos sei auch nicht in der das Jahr 2007 umfassenden Betriebsprüfung, die der Beklagte als Steuerberater der J begleitet habe, vorgenommen worden. Nachdem ihm im Februar 2018 vom Beklagten erstmals angedeutet worden sei, dass es Probleme gebe, habe der Beklagte ihn bei einem Besprechungstermin am 12.12.2018 über den Fehler und auch darüber informiert, dass eine Steuerlast in einer Größenordnung von 200.000,00 EUR drohe. In einem anschließenden Besprechungstermin im Sommer 2019 habe der teilnehmende Rechtsanwalt des Beklagten mitgeteilt, dass die Haftpflichtversicherung den Schaden begleichen werde. Hierfür müssten jedoch alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel zunächst ausgeschöpft werden. Anschließend habe der Beklagte die langjährige Mandatsbeziehung zum Kläger und zur J ohne Vorankündigung gekündigt. In der Folgezeit habe sich die J und der Kläger mit Hilfe ihres neuen Steuerberaters bemüht, eine Änderung des Feststellungsbescheides herbeizuführen. Eine Klage gegen die Einspruchsentscheidung vor dem zuständigen Finanzgericht hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt.Der Kläger ist ferner der Ansicht, der Beklagte hafte ihm persönlich, weil er, der Kläger, persönlich neben der J Vertragspartner des Beratungsvertrages mit dem Beklagten gewesen sei. Jedenfalls entfalte der Vertrag zwischen der J und dem Beklagten eine Schutzwirkung zugunsten des Klägers. Zudem habe die J auch alle Ansprüche gegen den Beklagten an den Kläger abgetreten.
Dem Kläger drohe ein Schaden, wenn er die Auszahlung der Einlage nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG versteuern müsse, weil das Einlagenkonto nach § 27 KStG fehlerhaft eingerichtet wurde und ihm daher die Befreiung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nicht zugutekomme. Mit dem Eintritt des Schadens sei zu rechnen, auch wenn dieser sich noch nicht realisiert habe oder sein Eintritt mit absoluter Gewissheit feststehe. Die J erwarte ebenfalls einen Schaden, weil der Kläger diese bei Anfallen der Steuerverbindlichkeiten in Anspruch nehmen werde.
Der Schadensersatzanspruch sei auch nicht verjährt. Der Kläger und die J hätten erstmals 2019 Kenntnis von der Pflichtverletzung des Beklagten erlangt. Darüber hinaus sei eine Verjährung wegen Verhandlungen über den Schadensersatzanspruch bereits am 12.12.2018 gehemmt worden.
Der Kläger beantragt, festzustellen, dass der Beklagte ihm sämtliche Steuerverbindlichkeiten zu ersetzen hat, die anlässlich der künftigen Auszahlung der Einlage in Höhe von 780.000,00 Euro seitens der J GmbH mit Sitz in I (AG I, HR B …) an den Kläger als ihren Alleingesellschafter anfallen werden, sofern diese Steuerverbindlichkeiten darauf zurückzuführen sind, dass die auszuzahlenden Einlagen nicht als Einlagen nach § 27 StG behandelt werden.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Nachdem der Beklagte zunächst vorgetragen hat, dass versehentlich die Bilanzkennziffern betreffend der Kapitalrücklage aus dem handelsrechtlichen Jahresüberschuss aus dem Jahre 2007 bei der elektronischen Datenverarbeitung nicht in die Feststellungserklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos für den Veranlagungszeitraum 2007 („Feststellungserklärung 2007“) übernommen worden sei und dies ihm nicht aufgefallen sei, hat er seinen Vortrag mit Schriftsatz vom 18.10.2021 dahingehend korrigiert, dass die Feststellungen des steuerlichen Einlagekontos für den Veranlagungszeitraum 2007 durch die Finanzverwaltung zutreffend erfolgt sei. Die Kapitalrücklage habe als Zugang den Bestand des steuerlichen Einlagekontos erst im Veranlagungszeitraum 2008 erhöhen können. Zwar sei die handelsrechtliche Kapitalrücklage vom Kläger für das Kalenderjahr 2007 gebildet worden. Der Beschluss über die Kapitalrücklagenbildung sei vom Kläger jedoch erst im Rahmen der Jahresabschlusserstellung im Dezember 2008 gefasst worden. Körperschaftssteuerrechtlich habe die Einlage der Gesellschafterforderung des Klägers in das Vermögen der J frühestens im Dezember 2008 vollzogen werden können. Der Zugang zum Bestand des steuerlichen Einlagekontos der J habe infolge dessen erst für den Veranlagungszeitraum 2008 und nicht bereits für den Veranlagungszeitraum 2007 erklärt werden können. Insoweit ist der Beklagte der Ansicht, dass ein möglicher Schadensersatzanspruch des Klägers wegen der fehlerhaften Deklaration des steuerlichen Einlagekontos für den Veranlagungszeitraum 2008 nicht streitgegenständlich sei.
Der Feststellungsbescheid für das Jahr 2007 sei auch nicht Gegenstand der Betriebsprüfung im Jahr 2010 gewesen. Der Beklagte habe sich daher im Rahmen der Betriebsprüfung mit diesem Feststellungsbescheid nicht befassen müssen.
Darüber hinaus ist der Beklagte der Ansicht, eine etwaige fehlerhafte steuerliche Beratung habe allenfalls gegenüber der J stattgefunden. Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter liege nicht vor, da der Drittschutz ausgeschlossen ist, wenn der Dritte wegen des inhaltsgleichen Sachverhaltes einen vertraglichen Anspruch hat. Dies sei hier der Fall, da der Kläger einen vertraglichen Anspruch gegen die J habe.
In den Diskussionen zwischen den Parteien sei es auch immer nur um die Berichtigungsmöglichkeiten des steuerlichen Einlagekontos gegangen. Schadensersatzansprüche seien nicht geltend gemacht worden. Der Beklagte habe seine Haftpflichtversicherung allein deshalb kontaktiert, um von dieser Hinweise im Umgang mit der Korrektur des steuerrechtlichen Problems zu erlangen. Es sei nicht darum gegangen, einen Schaden zu melden.
Auch in dem Gespräch am 12.12.2018 sei es nicht um einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegangen. Vielmehr hätten die Parteien nur über Möglichkeiten gesprochen, wie der richtige Zugang des steuerlichen Einlagekontos in Höhe von 780.000,00 Euro rückwirkend festgestellt werden könne.
Im Mai 2019 habe er seine jetzigen Prozessbevollmächtigten beauftragt. Gegenstand dieser Beauftragung sei ebenfalls nicht die Abwehr von Schadensersatzansprüchen des Klägers oder der J gewesen. Vielmehr sei es darum gegangen, den Beklagten beratend bei der Berichtigung des steuerlichen Einlagekontos der J zu unterstützen.
Darüber hinaus ist der Beklagte der Ansicht, dass der Feststellungsbescheid vom 05.03.2009 gem. § 129 AO hätte berichtigt werden müssen. Der Berichtigungsantrag sei zu Unrecht von der Finanzverwaltung zurückgewiesen worden. Insoweit hätte die J zwingend gegen die Einspruchsentscheidung Klage vor dem zuständigen Finanzgericht erheben müssen. Daher sei ein Mitverschulden der J, das der Beklagte gem. § 334 BGB gegenüber dem Kläger geltend machen könne, anzusetzen.
Weiter erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung. Dazu führt er aus, dass Verjährung mit Ablauf des 05.03.2019 eingetreten sei, da ein etwaiger Schadensersatzanspruch mit Bekanntgabe des Feststellungsbescheides vom 05.03.2009 entstanden sei. Da über einen etwaigen Schadensersatzanspruch zwischen den Parteien in unverjährter Zeit nicht verhandelt worden sei, könne die Verjährung auch nicht gehemmt worden sein.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat die Parteien gem. § 141 ZPO mündlich angehört. Wegen des Ergebnisses dieser mündlichen Anhörung wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2021 (Bl. 117 ff. d. A.) sowie vom 26.10.2021 (Bl. 234 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Der Feststellungsklage fehlt es nicht an einem gem. § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Der Kläger hat ein Interesse an der Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten. Denn ihm steht derzeit eine bessere Rechtsschutzmöglichkeit durch die Erhebung einer Leistungsklage nicht zu. Steuerverbindlichkeiten beim Kläger fallen erst bei Auszahlungen der Einlage an, deren Höhe derzeit noch nicht vollständig feststeht.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dies ergibt sich aus Folgendem:
1.
Dem Kläger steht kein eigener Anspruch gegen den Beklagten wegen fehlerhafter Steuerberaterleistungen gem. §§ 280, 611 BGB i. V. m. dem Steuerberatungsvertrag zu.
Bei der Tätigkeit des Steuerberaters handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter.
Dem Kläger steht jedoch ein eigener vertraglicher Anspruch aufgrund der hier streitgegenständlichen möglichen Pflichtverletzung des Beklagten nicht zu.
Unstreitig war der Beklagte sowohl mit der steuerlichen Beratung der J als auch mit der steuerlichen Beratung des Klägers persönlich betraut. Zum Inhalt und Umfang der Mandatsverhältnisse tragen die Parteien jedoch nichts vor.
Die hier streitgegenständliche mögliche Pflichtverletzung des Beklagten betrifft allerdings nach Auffassung der Kammer ausschließlich das Mandatsverhältnis mit der J. Denn nur die J als Kapitalgesellschaft – nicht aber der Kläger persönlich – war gemäß § 27 Abs. 1 KStG verpflichtet, das Einlagekonto auszuweisen. Daher ist ohne weiteres davon auszugehen, dass auch nur sie im Rahmen ihres Mandates den Beklagten mit der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 KStG beauftragt hat. Bei der Feststellungserklärung 2007 handelt es sich um eine Steuererklärung der J. Der Feststellungsbescheid des Finanzamtes I zum 31.12.2007 vom 05.03.2009 betrifft ebenfalls nur die J.
Nach Auffassung der Kammer entfaltet der Steuerberatervertrag zwischen dem Beklagten und der J auch keine Schutzwirkung zugunsten des Klägers.
Voraussetzung einer Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages ist, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung kommt und den Gefahren von Schutzpflichtverletzung ebenso ausgesetzt ist, wie der Vertragspartner selbst (vgl. Palandt-Grüneberg, 80. Auflage, § 328 Rdziff. 17 m. w. N.). Drittschutz besteht dann, wenn der Gläubiger entweder für das Wohl und Wehe des Dritten verantwortlich ist oder er ein besonderes Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hat und der Vertrag dahin ausgelegt werden kann, dass der Vertragsschutz auf den Dritten ausgedehnt werden soll.
Nach Auffassung der Kammer sind diese Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt. Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass der Alleingesellschafter in den Schutzbereich des Vertrages zwischen der Gesellschaft und dem Steuerberater einbezogen werden kann. Ob von einer solchen Einbeziehung ausgegangen werden kann, ist durch Auslegung des Mandatsverhältnisses zu ermitteln. Hier bestand neben dem Mandatsverhältnis zwischen dem Beklagten mit der J noch ein eigenes Mandatsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten. Der Kläger hat den Beklagten daher konkret auch mit seiner eigenen steuerlichen Beratung beauftragt. Darüber hinaus betrifft die hier streitgegenständliche Pflichtverletzung im Rahmen der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos der J nur die Gesellschaft selbst, die allein zur Erklärung über das Einlagekonto gem. § 27 KStG verpflichtet war. Die Auswirkungen der Erklärungen bezüglich des steuerlichen Einlagekontos auf den Kläger waren nach dem Vortrag beider Parteien bei Erstellung der Feststellungserklärung 2007 in keiner Weise Gegenstand irgendwelcher Überlegungen.
Darüber hinaus ist der Kläger auch nicht im oben genannten Sinne schutzwürdig. Denn die Ausdehnung des Vertragsschutzes ist dann ausgeschlossen, wenn der Dritte einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch gegen den Gläubiger oder einen anderen Dritten hat (vgl. Palandt-Grüneberg a. a. O., Rdziff. 20 m. w. N.).
Aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Rücksichtnahme- und Treuepflicht ist die J verpflichtet, die Interessen ihres Gesellschafters zu wahren, wo dies ohne entgegenstehende sachliche Gründe möglich ist und ihn insbesondere wirtschaftlich nicht zu schädigen. Durch die unzutreffende Erklärung des Einlagekontos, die zu einem materiell unzutreffenden Feststellungsbescheid des Finanzamts geführt hat, hat die J hiergegen mit der Folge verstoßen, dass sie dem Kläger zu dem Ersatz des hierdurch entstanden Schadens verpflichtet ist. Die J hat sich zur Erfüllung ihrer Treuepflichten des Beklagten als Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB bedient und muss sich dessen Verschulden zurechnen lassen. Damit stünde dem Kläger ein inhaltsgleicher Schadensersatzanspruch gegen die J zu.
Der Annahme eines solchen Schadensersatzanspruches aus einer Treuepflichtverletzung steht auch nicht entgegen, dass in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass im umgekehrten Fall den Alleingesellschafter keine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft trifft (vgl. BGH, Urteil vom 10.05.1993, II ZR 74/92, m. w. N.). Dies wird damit begründet, dass – jedenfalls außerhalb der Gefährdung von Gläubigerinteressen – ein von der Gesamtheit der Gesellschafterinteressen unabhängiges Gesellschaftsinteresse, dem eine Treuepflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft Rechnung zu tragen hätte, grundsätzlich nicht anzuerkennen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.09.1992, II ZR 299/21).
Diese Argumentation trifft jedoch in Bezug auf eine Treuepflichtverletzung der Gesellschaft gegenüber dem Alleingesellschafter nicht ohne weiteres zu. Es kann nämlich vielmehr angenommen werden können, dass über die Interessen der Gesellschaft hinaus gesonderte Eigeninteressen des Alleingesellschafters bestehen, die von der Gesamtheit der Gesellschafterinteressen durchaus unabhängig sind. Dies ist hier gerade der Fall. Denn der Kläger hat ein Interesse daran, seine Einlage in Höhe von 780.000,00 Euro steuerfrei dem Einlagenkonto entnehmen zu können. An einer solchen Einkommensteuerfreiheit des Alleingesellschafters hat die J demgegenüber kein eigenes Interesse.
Nach alledem kommt eine Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages zwischen dem Beklagten und der J nicht in Betracht.
2.
Auch einen Anspruch aus abgetretenem Recht gem. § 398 BGB vermag das Gericht nicht festzustellen.
2.1
Zwar könnte die J einen ihr gegen den Beklagten als Erfüllungsgehilfen zustehenden etwaigen Schadensersatzanspruch an den Kläger abtreten. Insoweit hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.10.2021 vorgetragen, dass die J ihre Ansprüche gegen den Beklagten an ihn abgetreten habe. Eine solche Abtretung in unverjährter Zeit ist jedoch von dem Beklagten bestritten worden. Der beweisbelastete Kläger hat dazu keinen Beweis angetreten, sodass eine wirksame Abtretung nicht festgestellt werden kann.
2.2
Unabhängig davon stünde der Durchsetzbarkeit eines an den Kläger abgetretenen etwaigen Schadensersatzanspruches der J gegen den Beklagten nach Auffassung des Gerichts die dauernde Einrede der Verjährung entgegen.
Der Beklagte hat sich auf Verjährung des Schadensersatzanspruches berufen.
Die Verjährung des Ersatzanspruches gegen einen Steuerberater, der steuerliche Nachteile seines Mandanten verschuldet hat, beginnt in der Regel mit der Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheides gem. § 122 Abs. 1, § 155 Abs. 1 S. 1 a. O. (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.2008, IX ZR 53/06). Der Anspruch der J gegen den Beklagten aus einer etwaigen Pflichtverletzung aus dem Steuerberatungsvertrag wäre damit im März 2009 nach der Bekanntgabe des Feststellungsbescheides an die J entstanden.
Gem. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB wäre der Schadensersatzanspruch damit spätestens Ende März 2019 verjährt, ohne dass es auf eine weitere Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der J ankommt.
Eine Hemmung der Verjährung gemäß § 203 durch Verhandlungen zwischen den Parteien vermag das Gericht nicht sicher festzustellen.
Die zwischen den Parteien geführten Verhandlungen im Sommer 2019 fanden nach Ablauf der Verjährungsfrist statt und konnten die Verjährung nicht mehr hemmen.
Der Ablauf der Verjährungsfrist hätte allenfalls durch Verhandlungen zwischen den Parteien im Rahmen der Besprechung vom 12.12.2018 gem. § 203 BGB gehemmt worden sein können.
Der Begriff der Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB weit auszulegen. Der Gläubiger muss jedoch klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn im Kern stützen will. Anschließend genügt jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächliche Grundlage, es sei denn, dass der Schuldner sofort erkennbar Verhandlungen ablehnt (vgl. Palandt-Ellenberger, 80. Auflage, § 203 Rdziff. 2 m. w. N.).
Nach dem Ergebnis der Parteianhörung mag das Gericht jedoch nicht festzustellen, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten zum Ausdruck gebracht hat, dass er einen Anspruch gegen ihn aufgrund einer Pflichtverletzung aus dem Steuerberater-vertrag geltend machen will. Insoweit hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.10.2021 dargelegt, dass über einen etwaigen Schadensersatz-anspruch, den der Kläger gegen ihn geltend machen wolle, nie gesprochen worden sei. Es sei bei der Besprechung allein um die Möglichkeiten der Berichtigung des Feststellungsbescheides des Finanzamtes I gem. § 129 AO gegangen. Auch der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.05.2021 lediglich bekundet, dass ihm im Februar 2018 durch den Beklagten angedeutet worden sei, dass es Probleme gebe. Gemeinsam habe man in dem Gespräch vom 12.12.2018 versuchen wollen, den Fehler zu heilen. Diese Aussage steht letztlich nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Beklagten. Wenn in dem Termin – wie der Kläger es formuliert hat – über die „Heilung“ des Fehlers gesprochen worden ist, dann liegt es durchaus nahe, dass es dabei um die Frage der Möglichkeiten der Berichtigung des steuerlichen Problems, also des fehlerhaften Feststellungsbescheid 2007 gegangen ist. Dass der Kläger Ansprüche gegen den Beklagten selber in irgendeiner Weise bis zum März 2019 in die Gespräche eingeführt hat, hat der Kläger selber so nicht bekundet.
Allein der unstreitige Umstand, dass der Beklagte dem Kläger gegenüber erklärt hat, dass er seine Haftpflichtversicherung beauftragt hat, führt letztlich zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Beklagte hat dazu vorgetragen, dass er seine Haftpflichtversicherung lediglich informiert hat, um Hinweise zu erhalten, wie die Berichtigung gem. § 129 AO erreicht werden könne. Dies hat er nachvollziehbar damit begründet, dass er selber keine Möglichkeit zur Lösung des steuerlichen Problems gesehen und gehofft habe, dass der Haftpflichtversicherer (HDI), bei dem viele Steuerberater versichert seien, einen größeren Überblick habe und ihn beraten bzw. jemanden benennen könne, der ihm beratend zur Seite stehen könnte, und zwar in Bezug auf die Änderung des betreffenden Steuerbescheides.
Der Kläger, dem die Darlegungs- und Beweislast für die Hemmung der Verjährung obliegt, hat darüber hinaus keinen Beweis dafür angetreten, dass er vor Ablauf der Verjährung einen etwaigen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten angesprochen hat.
Nach alledem steht dem Kläger, unabhängig von der Frage, ob eine Pflichtverletzung des Beklagten vorliegt, ein durchsetzbarer Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nicht zu.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Abs. 1 ZPO.
Beschluss
Gemäß § 320 ZPO wird der Tatbestand des o. g. Urteils wie folgt berichtigt:
1)
Der 1. Satz des 2. Absatz des Tatbestandes auf Seite 2 des Urteils („Da der Kläger eine Einzahlung in die Kapitalrücklagen der Gesellschaft in Höhe von 780.000,00 EUR getätigt hatte, betrug der Stand des Verrechnungskontos der J zum 31.12.2006 zugunsten des Klägers 788.545,48 EUR.“) lautet nunmehr:
„Das Verrechnungskonto der J betrug zum 31.12.2006 zugunsten des Klägers 788.545,48 EUR.“
2)
Der 1. Absatz a.E. auf Seite 5 des Urteils („Der Schadensersatzanspruch sei auch nicht verjährt. Der Kläger und die J hätten erstmals 2019 Kenntnis von der Pflichtverletzung des Beklagten erlangt. Darüber hinaus sei eine Verjährung wegen Verhandlungen über den Schadensersatzanspruch bereits am 12.12.2018 gehemmt worden.“) lautet nunmehr:
„Der Schadensersatzanspruch sei auch nicht verjährt. Nachdem der Kläger zunächst in der Klageschrift vorgetragen hat, dass er und die J erstmals 2019 Kenntnis von der Pflichtverletzung des Beklagten erlangt hätten, hat er diesen Vortrag mit Schriftsatz vom 28.04.2021 dahingehend korrigiert, dass er die Information über den Fehler des Beklagten bereits bei der Besprechung vom 12.12.2018 erlangt habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.05.2021 hat der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung erklärt, dass schon im Februar 2018 im Zusammenhang mit dem geplanten Erwerb der Eigentumswohnung vom Beklagten angedeutet worden sei, dass eine steuerfreie Entnahme problematisch sei. Darüber hinaus sei eine Verjährung wegen Verhandlungen über den Schadensersatzanspruch bereits am 12.12.2018 gehemmt worden.“