LG Duisburg – Az.: 6 O 205/12 – Urteil vom 29.11.2013
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für sie zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 41.703,92 EUR
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Die Beklagte war über Jahre hinweg steuerberatend für die Kläger tätig.
Im Veranlagungszeitraum 2008 verkaufte der Kläger zu 2. seine Mehrheitsanteile an einem von ihm aufgebauten Unternehmen und hatte deshalb mit einer Steuernachforderung des Finanzamtes in Höhe von 2,3 Mio. EUR zu rechnen. Darauf wies ihn die Beklagte mit Schreiben vom 26.01.2010 hin.
Um die Mittel zur Erfüllung der Steuernachzahlung zur Verfügung zu haben, verkaufte der Kläger zu 2. am 25.02.2010 Wertpapiere aus einem Depot bei der D AG im Wert von 2.639.595,62 EUR und transferierte den Betrag auf ein Girokonto bei der D AG bzw. zuletzt bei der W eG.
Die Festsetzung der Einkommensteuer 2008 erfolgte mit Bescheid des Finanzamtes L2 vom 20.10.2010. Darin wurde neben der zu zahlenden Einkommensteuer von 2.162.147,78 EUR ein Zinsbetrag von 64.866,00 EUR zu Lasten der Kläger festgesetzt. Den dagegen über die Beklagte erhobenen Einspruch der Kläger wies das Finanzgericht L2 unter dem 30.01.2012 zurück. Wegen Aussichtslosigkeit sahen die Parteien davon ab, Klage gegen diese Entscheidung zu erheben.
Die Überweisung der festgesetzten Einkommensteuer war bereits am 08.11.2010 erfolgt. Vom 01.04.2010 bis zum 08.11.2010 erwirtschafteten die Kläger mit dem Geld aus dem o.g. Wertpapierverkauf Zinsen in Höhe von 2.279,34 EUR, den sie sich auf die Zinslast in Höhe von 64.866,00 EUR anrechnen lassen, was zu einer Zwischensumme von 62.586,66 EUR führt. Darüber hinaus lassen sich die Kläger Honorarforderungen der Beklagten gegen sie und gegen ihre verschiedenen Gesellschaften – nach jeweils erfolgter Abtretung – im Wege der Auf- bzw. Verrechnung im Umfang von insgesamt 20.882,74 EUR entgegenhalten.
Für die vorgerichtliche Vertretung durch ihre Prozessbevollmächtigten haben die Kläger Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.161,99 EUR bezahlt.
Die Kläger behaupten, die Beklagte habe sie nicht darauf hingewiesen, dass die hohe Steuernachforderung für das Jahr 2008 gem. § 233a der Abgabenordnung (AO) ab dem 01.04.2010 in Höhe von 0,5 % monatlich zu verzinsen war (Nachzahlungszinsen), und auch nicht darauf, dass die Möglichkeit bestand, diese Zinsen durch Tilgung der Steuerschuld vor Fälligkeit zu vermeiden. Durch den unterbliebenen Hinweis sei ihnen die Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Entscheidung darüber, die Steuerschuld vor dem 01.04.2010 zu begleichen oder eine Kompensation für die Nachzahlungszinsen zu erwirtschaften, genommen worden. Die Problematik der Nachzahlungszinsen sei ihnen auch nicht anhand der Steuerfestsetzungen für die Jahre vor 2008 bekannt gewesen, zumal die Zinsschulden in diesen Vorjahren deutlich niedriger gewesen seien als für das Steuerjahr 2008. In die von ihnen vorgenommene Auf- bzw. Verrechnung sei keine weitere Honorarforderung der Beklagten einzubeziehen.
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Kläger, einen Betrag von 41.703,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2012 sowie 2.161,99 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 31.07.2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, ihre Mitarbeiterin F habe die Kläger bei drohendem Fristablauf zur Einreichung von Steuererklärungen telefonisch hierauf aufmerksam gemacht und immer auch auf die Konsequenzen einer verspäteten Einreichung von Erklärungen hingewiesen, nämlich auf die Gefahr der Festsetzung von Verspätungszuschlägen und Nachzahlungszinsen. Aufgrund dieser Belehrungen und des Umstandes, dass der Kläger zu 2. mit seinem Unternehmen L3 GmbH selbst steuerliche Beratung anbiete, sei den Klägern das Prinzip der Verzinsung 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraumes bekannt gewesen. Davon abgesehen hätten die Kläger von diesem Prinzip aber auch anhand der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2006, in denen ebenfalls Nachzahlungszinsen festgesetzt worden seien, Kenntnis gehabt. In die Auf- bzw. Verrechnung sei noch eine weitere Honorarforderung in Höhe von 1.133,48 EUR einzubeziehen, die sich gegen eine Gesellschaft der Kläger richte.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Kläger hätten gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Die Kläger hätten das Geld aus dem Wertpapierverkauf gewinnbringender anlegen müssen als sie es getan haben. Eine vorzeitige Zahlung der Einkommensteuer 2008 wäre für die Kläger nicht wirtschaftlicher gewesen.
Die Kläger haben erklärt, die von der Beklagten als Zeugin für die erfolgte Aufklärung hinsichtlich der Nachzahlungszinsen benannte Mitarbeiterin F nicht von der Schweigepflicht zu entbinden.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 41.703, 92 EUR gem. §§ 280Abs.1, 611,675 Abs. 1 BGB.
Bei dem vorliegenden, auf Dauer angelegten Steuerberatungsvertrag handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter (vgl. Palandt- Sprau, BGB, 71. Aufl. 2012, § 675, Rn. 26, m.w.N.). Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Beklagten eine schuldhafte Verletzung einer aus dem Steuerberatungsvertrag mit den Klägern folgenden Vertragspflicht vorzuwerfen ist, die für einen den Klägern entstandenen Zinsschaden ursächlich geworden ist.
1.
Im Rahmen eines den gesamten steuerrechtlichen Bereich abdeckenden Auftrags hat der Steuerberater seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Insbesondere muss der Steuerberater seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2004, IX ZR 246/02, juris-Rz. 11, NJW-RR 2004, 1358). Wenn jedoch der Mandant des Steuerberaters bereits eigene Kenntnis von einem steuerrechtlich relevanten Sachverhalt hat, bedarf es keines Hinweises des Steuerberaters mehr auf den betreffenden Umstand. In einem solchen Fall scheidet eine Haftung des Steuerberaters für eine unterlassene Aufklärung des Mandanten aus. So liegt der Fall auch hier.
Aus den von der Beklagten vorgelegten Bescheiden über die Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis 2006 folgt jeweils die Festsetzung von Nachzahlungszinsen in nicht unerheblicher Höhe zu Lasten der Kläger. Auf die Vorschrift des § 233a AO als Rechtsgrundlage für die Zinsfestsetzung wird in den Bescheiden besonders hingewiesen. Zudem ergibt sich aus den Bescheiden, dass der Zinsbeginn jeweils 15 Monate nach Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraum liegt, wie es in § 233a Abs. 2 S. 1 AO vorgeschrieben ist. Auch lässt sich den Bescheiden die monatliche Zinshöhe von 0,5 % unschwer entnehmen. Wegen dieser sich über Jahre hinweg wiederholenden Belastung mit Nachzahlungszinsen in den den Klägern zugestellten Steuerbescheiden war ihnen positiv bekannt, dass, ab wann und in welcher Höhe sie nach § 233a AO jeweils mit Nachzahlungszinsen zu rechnen hatten, wenn sie die 15-Monats-Frist nicht einhielten. Damit bestand aus der Sicht eines objektiven Dritten in der Person der Beklagten kein Aufklärungsbedarf bei den Klägern.
2.
Im Übrigen ist gem. § 286 Abs. 1 ZPO nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung davon auszugehen, dass die Beklagte in Person der Mitarbeiterin F die Kläger über das Entstehen von Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO aufgeklärt hat.
Das Gericht hat gem. § 286 ZPO den gesamten Inhalt der Verhandlung zu würdigen. Dazu gehören auch die Handlungen, Erklärungen und Unterlassungen einer Partei sowie die Vorenthaltung von Beweismitteln. Hierzu zählt die Versagung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht. Auch im Prozessrecht gelten die Grundsätze von Treu und Glauben, nach denen Rechtspositionen nicht missbraucht werden dürfen. Darum kommt es im Falle der Verweigerung eines Beweises auf die Stichhaltigkeit der Weigerungsgründe auch dann an, wenn die Partei zur Beschaffung oder Benutzung des Beweismittels nicht verpflichtet ist. Einen triftigen Grund zur Versagung der Entbindung von der Schweigepflicht können höherwertige, über den Rechtsstreit hinausgehende Interessen der nicht Beweis führenden Partei darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 20.04.1983, VIII ZR 46/82, juris-Rz. 25 ff., MDR 1984, 48). Das Gericht kann seiner Entscheidung in einem Fall der nicht gerechtfertigten Versagung der Entbindung von der Schweigepflicht das für den Beweisführer günstigste Beweisergebnis – hier: den Beweis der erfolgten Aufklärung – zu Grunde legen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 286, Rn. 14a).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zum Beweis der Aufklärung der Kläger über das Anfallen von Nachzahlungszinsen ihre Mitarbeiterin F als Zeugin angeboten. Da die Mitarbeiterin der Beklagten grundsätzlich verpflichtet ist, über die in ihr Wissen gestellten steuerlichen Angelegenheiten der Kläger Verschwiegenheit zu bewahren, hätte es einer Entbindung von der Schweigepflicht durch die Kläger bedurft. Diese haben sie ohne Angabe triftiger Gründe verweigert. Soweit sie lediglich darauf verweisen, dass die Versagung der Schweigepflichtentbindung im wohlverstandenen Interesse der Zeugin erfolge (GA 134), ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass die Kollision mit den Berufspflichten eines Mitarbeiters einer Steuerberaterpraxis gerade keinen hinreichenden Grund darstellt (vgl. BGH, a.a.O., juris-Rz. 28). Weitere Gründe haben die Kläger nicht angeführt, insbesondere keine solchen, die höherwertige, über den vorliegenden Rechtsstreit hinausgehende Interessen darstellen.
II.
Mangels Bestehens eines Hauptanspruches haben die Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zinszahlung und keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.